1.Februar 1998





Bergmann -S- Art

Stefan Schreck


[text als audiofile]

 

Sendungsanfangsmusik/Begrüßung mit Standardformel Rudij Bergmann:

Küß’ die Hand meine Damen, guten Abend meine Herren.


Sechs mal im Jahr beginnt Rudij Bergmann standardmäßig so sein Kunst TV-Magazin im Süddeutschen Rundfunk Stuttgart. Laut Eigenwerbung "das einzigen TV-Magazin, das sich ausschließlich den Schönen und Bildenden Künsten widmet". Und benannt hat er es auch gleich nach sich: Bergmann -S- Art, dabei das S wie ein Copyrightlogo hochgestellt:

Rudij Bergmann:

Die Philosophie ist der Zuschnitt einer Sendung auf eine Person. Weil ich davon ausgehe, daß Fernsehen natürlich, vielleicht im stärkeren Maße als Radio noch, Fernsehen sich über Personen vermittelt. Also über die Personen die ich darstelle, zeige was die machen oder nicht machen und über die Person die es macht. Und deshalb war der Anspruch man fixiert es auf eine Person, die zuständig ist für alles: für die Konzeption, die Moderation, die Filmemachung und die sich nicht in die Anonymität verflüchtigt, was ja ein gesellschaftliches Phänomen ist. Nicht zu letzt in den Medien. Keiner weiß mehr, wer ist das eigentlich der das da macht.


Die Themen sucht Bergmann allesamt auch gleich selber aus: BritArt anläßlich der Ausstellung in Wolfsburg, Franz Ackermann in Berlin Neukölln, die Fotoausstellung "german contemporary fotografie" oder Deutschlandbilder. Eben alles was hierzulande unter Bildender Kunst firmiert. Allerdings, und da legt er Wert drauf, immer mit dem etwas anderen Blick:

Rudij Bergmann:

Ich sende nun 6 mal im Jahr, d.h. die Gefahr der Ereignisaktualität und der Terminaktualität, die ist bei mir nicht so arg gegeben, weil mir die Themen von ihrem Event natürlich weglaufen. D.h. ich muß um aktuell zu sein - und aktuell ist für mich was nächstes Jahr noch interessant ist - muß ich natürlich den anderen Zugang finden. Der andere Zugang ist z.B. bei den ?Deutschlandbildern" nicht zu beiträgen was hängt nun da, sondern die Frage zu stellen, ein bißchen polemisch zugespitzt, warum so viele große Kiefer und warum nur ein kleiner Matteuer, wenn es sich um Deutschlandbilder handelt. Es ist jetzt keine Frage, ob ich den gut oder schlecht finde, ob ich das persönlich goutiere oder nicht. Das ist für mich einfach nur eine Fragestellung jenseits der Konzeption der Ausstellungsmacher, die ich ja nicht teilen muß. Obwohl man sie in weiten Teilen teilen kann. Eine andere Geschichte: das ich in dieser ?Bergmann -S- Art Akademie", in diesen 5 min. Vorlesungen, ohne Zoom, ohne Schnitt, sondern nur eine Position, wo dann vorgelesen wird die Themen auch über diese Schiene abzuhandeln versuche. Manche Leute halten das ja für Anti-Fernsehen. Ich denke das es um Inhalte geht.


3-4 Beiträge sind das pro Sendung: Reportagen, Kommentare, Lesungen, Porträts und Künstlervideos. Bergmann moderiert, am Schreibtisch sitzend, auch alles selbst an. Dabei überträgt sich seine langsame, bedächtige Art auch auf die Filme: lange Kamerafahrten, wenige Schnitte, ausführliche Blicke auf Kunstwerke und Künstler und ausreichend Platz für das Wort.

Themen der Sendung November 1997:

- Der Direktor: Heinrich Klotz und sein Karlsruher Museum für die alten und die neuen Künste
- Der Gastdozent: Der Direktor der Stuttgarter Akademie Schloß Solitude in Bergmann -S- Art Akademie
- Die Villa: Streit um Kunst in der Akademia Tedeska zu Rom
- Der Pionier: Der alte Meister der neuen Medien: Wolf Vostell zum 65.


Zunächst sind das meistens Themen, die auch in den anderen Kunst- und Kulturmagazinen verhandelt werden oder werden könnten. Aber wenn Heinrich Klotz, Leiter des ZKM in Karlsruhe, den Gast in einem Beitrag 10 Minuten - 3 Wochen vor der Eröffnung - durch die unfertigen Ausstellungshallen der alten Munitionsfabrik führt, entsteht ein intensiver Einblick, wie er bei herkömmlichen Magazinen nur noch selten gelingt. Wie fragt Mathias Flügge in der Neuen Bildenden Kunst: Wo ist noch soviel intellektuelle Authentizität im Flimmerwesen?

Rudij Bergmann:

Ich glaube man muß bei meinen Texten sehr genau hinhören und ich bekomme oft den Vorwurf gemacht, den ich eigentlich als Kompliment auffassen würde, daß meine Texte nicht so leicht zu durchschauen sind. Also ich denke, daß meine Texte sehr stark Position beziehen, auch innerhalb des Films. In der Moderation sage ich ja sowieso was ich will, mal ironisch mal weniger ironisch. Aber ich denke, daß diese Texte durchaus Positionen beschreiben.

Originaltext Bergmann aus der Sendung zum ZKM:

Zu Karlsruhe. In einer denkmalgeschützten und umgebauten Munitionsfabrik hat der Kunstwissenschaftler, Träumer und Realist Heinrich Klotz mit seinem Zentrum für Kunst- und Medientechnologie, bekannt als ZKM, sich positioniert. Dort ist nun die Hochschule für Gestaltung und das zur Interaktion einladende Medienmuseum untergebracht und auf 4000 qm Ausstellungsfläche des Heinrich Klotz liebstes Kind: Das Museum für neue Kunst. Eine kritisch beobachtete Museumsetablierung im Lande Baden-Würtemberg mit offenem Ausgang. Hier müssen sich die klassischen Formen der Jetztzeitkunst von der Malerei bis zu Skulptur mit dem Allerlei der medialen Künste messen. Übrigens als Leihgabe begehrt von Tokio bis New York. Einerseits bietet das Projekt im Zusammenspiel der unterschiedlichen Gattungen ein Panorama der Künste in der von Heinrich Klotz so definierten Periode der zweiten Moderne. Andererseits stellt sich natürlich die Frage wie notwendig dafür ein eigenes Museum ist, zumal hier und heute, wo anderenorts nicht selten das Geld fehlt für den laufenden Betrieb, indessen das kann man Heinrich Klotz nicht anlasten.
Er hat sich knapp drei Wochen vor der Eröffnung, also mitten in der Aufbauphase Zeit genommen um mich also uns durch sein noch unfertiges Museum zu führen.

Musik
Heinrich Klotz:

Wir experimentieren noch. Wir sind ja noch mitten im Aufbau. Wir wissen noch nicht so recht, ob das alles so bleiben soll.

Rudij Bergmann:
Ich lasse natürlich den Leute die Möglichkeit auszureden, ihre Positionen darzustellen und verzichte auch manchmal auf die Kommentierung dieser Position. Ich bin ja auch kein Oberlehrer. Ich gehe ja davon aus, daß ich ein interessiertes Publikum habe, das sich auch noch selber Gedanken macht. Also ich denke durchaus, daß die Stärke dieser Sendung darin besteht, daß ich mich Positioniere und auch Munitioniere, nur man muß die ganze Sendung sehen und nicht den einzelnen Beitrag.


Allein, wer schaut sich so eine Sendung an? Auch wenn mit Selbstironie inszeniert, bleibt der etwas pastorale, betuliche Ton Bergmanns, gepaart mit dem Singsang des O-Ton Bergmann: "rheinischen Internationalisten":

Rudij Bergmann:

Ich gehe ja davon aus - und das meine ich nun wirklich ernst und nicht ironisch - daß ich einen Zuschauer habe, der nicht so dumm ist wie man es ihm immer unterstellt. Also wie auch wir es ihm manchmal unterstellen und sagen, das ist doch alles zu kompliziert, wir müssen das ein bißchen leichter aufarbeiten. Und wie es natürlich auch von außen unterstellt wird. Also ich denke, das wir zumal um diese Uhrzeit einen Zuschauer haben, der relative genau weiß was er sich das anschaut. Und es ist natürlich Arbeit. Es gibt immer die verschiedenen Ebenen der Rezeption, die auch diese Sendung bietet, aber es natürlich für den Zuschauer Mühe zu gucken. Warum auch nicht? Es ist ja auch für mich Mühe sie zu machen, für die Künstler ist es ja auch Mühe Kunst herzustellen. Warum soll sich der, der gemeint ist, also der Zuschauer, sich keine Mühe damit machen?


Einige dieser Exemplare hatten sich vergangene Woche im Künstlerhaus Bethanien zur Präsentation von Bergmann -S- Art eingefunden. Zu Sendebeginn war zwar keiner da, aber nach und nach füllte sich der sofabestückte Clubraum. 20 Uhr ist vielleicht doch etwas zu früh für die Kunst, meinte Bergmann zynisch abgeklärt. Unterdessen der Videoscreen immer noch blinkte: No Signal.
Nach einer 45 Minuten Bergmann -S- Art Sendung dann, gab es doch einige Fragen aus dem ausnahmsweise greifbaren Publikum:
Wie er denn seine Themen findet? Wer die potentiellen Zuschauer seien? Ob nicht die Wertung ein wenig fehlen würde?

Zuschauer im Bethanien:

Sie sprachen vorhin von der Dominanz der Bilder. Wäre es denn nicht notwendig, daß sie mit dem Wort noch etwas stärker entgegenhalten müßten? Sie überlassen den Künstlern nun sehr stark das Wort. Ist das nicht doch manchmal problematisch, wenn man nicht als Moderator oder als Journalist nicht auch seine eigene Sicht mehr präsentieren müßte?


Daumen hoch oder runter, das ist nicht seine Art. Schwarz oder weiß, so sah die Welt vor 20 Jahren für ihn aus. Jetzt so sagt Bergmann, ist alles viel schwieriger. Und das will er zeigen. Mit all den Widersprüchen, Widerständen und jenseits der Hauptstraßen.
Bergmann, der mit seinen 54 Jahren Fluxus selbst erlebt und gelebt hat - Beuys, Vostell und die brennenden Rheinwiesen gehören zu seinem privaten Kunstschatz - sieht auf den Kunstbetrieb und dessen Aufbereitung im Fernsehen mit einer gehörigen Portion Skepsis, aber auch mit Sympathie. Seit vielen Jahren im Geschäft mit der Kunst, merkt man die kundige und gleichzeitig distanzierte Kennerschaft des Rudji Bergmann. Mit Schal und Lesebrille tief auf den Nasenrücken gerutscht, gibt er den Flaneur und Charmeur.

Rudij Bergmann:

Der Flaneur ist sicher nicht so ganz falsch. Aber nicht im Benjaminschen Sinne sondern im Sinne von Heinrich Heine, der für meinen Geschmack der erste Flaneur war in Paris. Aber das ist der Flaneur, der nach Inhalten sucht also der durchaus soziale und politische Komponenten mit seiner Flaniererrei in Zusammenhang bringt. Deswegen verstehe ich auch den Vorwurf das keine Position bezogen wird überhaupt nicht. Also ich ordne pausenlos politisch ein und das ist natürlich eine Haltung und diese Haltung übertrage ich in der Sendung. Auch mit dem Schal, man sitzt ja sonst ein bißchen nackt dar und mit der Brille, ich meine ich sehe auch sonst nichts, also lesend. Und das ja die Moderation bewußt eine Moderation ist die ich nicht verspiele, ich zeige den Leuten ja ich lese das auch vom Blatt, das ist ja auch eine Sympathiebekundung an mein Publikum, daß ich auch mal gucken muß worum geht es denn eigentlich. Also ich spiele da nicht Rudij Bergmann, das bin ich schon.


Ob die Zuschauer und vor allem die Rundfunkanstalt es ihm danken? Im Herbst jedenfalls fusionieren die Sender des Südwestfunks und des Süd-Deutschen Rundfunks. Dann entsteht mit dem Südwestdeutschen Rundfunk die zweitgrößte Sendeanstalt im ARD-Verbund. Bleibt dann noch Platz für die one man show Bergmann -S- Art? Obwohl alle immer nach so einem anspruchsvollen TV-Kunstmagazin verlangen, weil doch das Fernsehen immer schlechter wird, wie sie sagen, ist Rudij Bergmann nicht sehr zuversichtlich:

Rudij Bergmann:

Ich denke mal, wie Jung sagt: die Welt ist Voll von Unkultur, sprich von doppelter Moral. Mich frustriert natürlich nicht der Zuschauer, sondern mich frustrieren gewisse Haltungen. Also ich bin seit Jahren von allen möglichen Künstlern, Kulturinteressierten darauf angesprochen worden: Mach doch mal eine Sendung, die ein bißchen anders ist. Nun habe ich das gemacht und plötzlich merke ich, das all diese Freunde, die doch so wahnsinnig an so einem tollen Fernsehprogramm interessiert sind das Zeug alles gar nicht sehen.
Und das ist etwas was mich frustriert. Das sie einerseits Behauptungen aufstellen, wie alles schlechter wird und dann wenn sie gute Programme bekommen, die gar nicht kennen.


Bis Herbst geht es auf jeden Fall weiter. Die nächste Bergmann S Art gibt es auf Südwest3 am 11. März um 22 Uhr 20. In Berlin allerdings nur über Satellit auf der Südwestschiene zu empfangen. Für alle anderen gilt: ab März befinden sich die Sendungen des vergangenen Jahres von Bergmann -S- Art auch in der Videothek des Künstlerhauses Bethanien im Verleih. Und eins ist sicher: Die Begrüßungs- und Verabschiedungsfloskel ist bei jeder Sendung die gleiche. Da bleibt er sich schon treu, auch wenn sonst alles anders sein soll:

Rudij Bergmann:

Küß’ die Hand meine Damen. Gute Nacht meine Herren.




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- 01.Februar 1998 -


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