Dark Schreber City

Florian Clauss/Anja Heilmann


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seit einigen wochen läuft in den kinos der film "dark city" und entführt die ahnungslosen zuschauer in eine stadt, die selten die sonne zu gesicht bekommen hat. dort tauchen merkwürdige gedächtnislücken in den köpfen der bewohner auf, die alle von einer figur verursacht werden, nämlich den psychator daniel p schreber. der spielt die rolle des teufelsboten, denn er ist quasi verlängerter arm einer ausserirdischen rasse, die in den letzten atemzügen ihrer zivilisation liegt. sie wollen erfahren, was den rest der menschlichen seele ausmacht, um mit dieser erkenntnis auf ihr eigenes fortleben zu hoffen. die stadt ist nichts anderes als ein grosse versuchsanordnung, in der die gesamte materie, menschen wie gebäude, dem tuning unterworfen ist. das ist die fähigkeit der aliens, dinge in ihrer gestalt und schwerkraft zu ändern. der plot ist damit eigentlich schon fast erzählt. zu ergänzen wäre noch, dass einer der bewohner die fähigkeit des tunings irgendwie entwickelt und den kampf gegen die ausserirdischen aufnimmt.
die atmosphäre von "dark city" erinnert an brazil und die ersten batman teile. düster und verwoben, gehen zukunftvisionen mit einer regressiven lebensqualität in den schluchten der häuser einher. irgendwo zwischen den welten bewegen sich die bewohner der stadt und sind ihrer eigenen vegangenheit beraubt. denn die wird mit einem ausserirdischen serum immer neu geschrieben, immer in anderen konstallationen erprobt, um letztlich herauszufinden, was das leben eigentlich lebenswert macht. für den protagonisten john murdoch ist dies zweifelslos shell beach, ein ort, an dem er die kindheit verbracht zu haben glaubt. doch keiner der menschen kann ihm erklären, wie er zu diesem ort kommt, obwohl ihn jeder kennt. viel zeit bleibt ihm nicht, obwohl er in der lage ist die zeit anzuhalten...
shell beach ist ein ausserhalb der stadtgrenzen gelagerter ort einer utopie des lebens im licht und damit nichts anderes als eine hymne an die illusionorische kraft des kinos selbst. das tuning wird damit zu einer medialen kraftübertragung, die eigentlich auch nur eine projektion des kinoaperates ist. der film von dem australier alex proyas versteht es besser als alle anderen in den letzten jahren herausgekommen scifi-filme, mit den grundelemten des kinos, licht und zeit, zu spielen und diese noch in eine überzeugende geschichte einzubetten. der subtext reicht tief in die motivgeschichte, bleibt aber doch manchmal an eine allzu glatten, computergenerieten oberfläche hängen. morph to the top!
das interssante an dem film ist die eingangs erwähnte figur des psychators daniel p schreber, gespielt von keifer sutherland. sie zitiert den realen daniel paul schreber. dieser griff nach der historischen figur zeigt dessen heutige bedeutung und ist eigentlich ungewöhnlich für einen mainstream film.
daniel paul schreber, geboren 1842, sohn des erfinders der schrebergärten, entwickelte starke psychosen und "durchlief eine lange und düstere anstaltskarriere, die in der innenwelt des daniel paul schreber sich jedoch zu einem höchst eigenartigen weltbild verwandelte." während seiner geistigen verwirrungen, notierte er sämtliche gedanken. seine schriften sind unter dem titel "denkwürdigkeiten eines nervenkranken" herausgekommen. es folgen nun auszüge aus den aufsätzen schrebers, um hier die kraft der strahlen, die fähigkeit zu löschen und neuzubeschriften wie sie sich auch im tuning oder auf jeder normalen festplatte umsetzen, in ein neues licht zu stellen. es geht dabei um eine ausgelagerte gedächtnisorganisation, die heute zur zeit der weltweiten archive und damit auch der verlust von körperlich festgelegten erinnerungen, weil ja jederzeit per suchbefehl abrufbar, immer wieder neu hinterfragt werden muss.

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