Geheimdienste im Netz.

Benjamin Beck


Geheimnisse hüten sich vor jeder Art von Öffentlichkeit, Öffentliches kann umgekehrt niemals geheim sein. Geheimnis und Öffentlichkeit sind unvereinbar - und damit ist das ewige Dilemma öffentlicher Geheimnisträger beschrieben. Ob für sog. "innere" oder "äußere" Sicherheit zuständig, ob FBI oder BND, Mossad oder MI5, Geheimdienste in Demokratien sind Institutionen, die sich vor der nationalen Öffentlichkeit rechtfertigen müssen. Die eigentliche Arbeit ist dabei tunlichst zu verschweigen, denn die hat nur einen Sinn, wenn sie geheim bleibt.

Der öffentliche Raum des Internet fordert, je mehr er wächst, von den Institutionen demokratischer Staatswesen Präsenz. Der surfende Wähler und Steuerzahler verlangt zu beliebiger Zeit und von beliebigem Ort elektronische Aufklärung über Arbeit und Ausgaben seines Staates. Dem können sich offensichtlich die Geheimdienste der demokratischen Welt nicht verschliessen, traut man ihrer Präsenz im Netz.

Seit einiger Zeit besitzt auch der Erbe des KGB einen eigenen Internet-Server. Der russische Sicherheitsdienst FSB präsentiert sich damit, wie die meisten westlichen Geheimdienste in den letzten Jahren, einer globalen Öffentichkeit. Mit neuer Offenheit oder elektronischer Basisdemokratie hat dies kaum etwas zu tun. Geheimes bleibt weiter geheim, öffentlich ist lediglich das eigene Image, dessen Pflege die Geheimdienste nicht mehr allein der Presse überlassen wollen.

Der FBI, folgt man den Inhalten seiner Homepage, hat es dank seiner Berühmtheit leicht sich zu legitimieren. Mit der Schlagzeile "Die Suche nach vermisstem Teenager geht weiter..." werden ernsthafte Zweifel an seiner Existenzberechtigung gleich auf der Eingangsseite zerstreut. Hinter den weiteren Untermenus verbirgt sich zweierlei: Juristische Details belegen erstens, dass entgegen dem unsterblichen Mythos, alles mit rechten Dingen zugeht beim FBI. Andererseits wird vor allem eine Frage beantwortet, die besonders junge Amerikaner besonders zu bewegen scheint: Wie wird man Special Agent?.

Die Agenten des deutschen Verfassungsschutzes haben kein Hollywood im Rücken, das sie zu unbesiegbaren Helden macht. Dementsprechend muss ihre Präsentation im Internet auf bewährte Pädagogik zurückgreifen. Berichte über linken wie rechten Extremismus informieren über die Feinde der Demokratie. Ein Computerspiel, das zum Download bereit liegt, soll dem Besucher die unverzichtbare Arbeit der Verfassungschützer auf vergnügliche Weise näherbringen. Trotz des vielversprechenden Titels "Was steckt dahinter?", verrät der interaktive Quiz nicht das kleinste Geheimnis.

(Computerkids lernen dabei z.B., was unter Desinformation zu verstehen ist. Wenn sie nicht auf den Kopf gefallen sind, dann sollten sie bemerken, dass auch das Quizspiel nicht auf diese Geheimdienstmethode verzichten mag: Auf die Frage "Was sind 'Fanzines'?" lautet die richtige Antwort: rechtsextremistische Zeitschriften)

Während der israelische Mossad immer noch so geheim ist, dass man seine Internetpräsenz vergeblich sucht, hat der russische FSB den Schritt in die Netzöffentlichkeit gewagt. Seine Homepage ist allerdings schon seit Wochen "under construction now" und verweist bisher nur auf das Institut für Kryptographie, Kommunikation und Information.

Die hauseigene Forschungseinrichtung des russischen Sicherheitsdienstes liegt mit seinen Netzseiten durchaus auf der Linie westlicher Geheimdienste. Ähnlich wie der FBI versucht sich das FSB-eigene Institut in der Nachwuchsrekrutierung. Erstsemestern mit Hackerambitionen werden grosse Herausforderungen mit legalen Methoden versprochen. Die Bewerbungsmodalitäten sind on-line abrufbar.

Die Publikationen des Instituts warnen vor den Gefahren aus dem Internet. Und sie rechtfertigen damit das Bemühen des FSB, der unkontrollierten Informationsflut Herr zu werden. Die erklärten Feinde sind Terroristen und Pornographen, Computerviren und die Mafia. Und nicht zuletzt wird dem Schutz der eigenen und fremden Informationssysteme besondere Priorität eingeräumt.

Was das bedeutet, spricht eine Publikation des FSB-Instituts deutlich aus: es gehe um den "Schutz der Informationsresourcen des Internet auf dem Wege der Überwachung der Datenströme". Die russischen Spezialisten offenbaren, was die Präsenz der Geheimdienste im Netz auch bedeutet: Überwachung der Datenströme.

Der russische Geheimdienst kann dabei auf die besondere Unterstützung des Päsidenten zählen. Seit April 1995 sichert ein Ukaz den Informationshütern die absolute Datenhoheit. Die Verordnung verlangt eine Lizenz des FSB für jedes Verschlüsselungsverfahren, das in Russland zum Einsatz kommt.

Damit sollte zumindest im russischen Teil des Netzes dem Geheimdienst nichts mehr verborgen bleiben. Noch ist nicht klar, welche Geheimnisse der Dienst via Internet der Öffentlichkeit preisgeben wird. Klar ist dagegen, dass es für die kleine Agentenöffentlichkeit keine Geheimnisse geben darf.

mail to: benjamin beck

e-mail an die Redaktion

COPYRIGHT NOTICE: Das Copyright der unter 'convex tv.' digital veröffentlichten Texte liegt bei den an gegebener Stelle angeführten AutorInnen. Die abgelegten Texte dürfen für den individuellen, nicht-kommerziellen und privaten Gebrauch heruntergeladen werden, wobei Copyright und Trademark angeführter AutorInnen, Organisationen und Produkte durch Dritte zu respektieren sind.

Publikation, Weiterleitung und kommerzielle Verwertung der Texte oder Auszüge derselben sind ohne Einvernehmen der AutorInnen untersagt.

Die Meinungsäußerungen der AutorInnen, sowie Zitationen sind nicht deckungsgleich mit der Meinung der 'convex tv.' Redaktion. 'convex tv.' ist nicht für den Inhalt und dessen Umgang mit Dritten, Copyright Regulationen und anderen Gesetzen verantwortlich.