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NICHT KLECKERN (übersteuert)
© kathrin röggla, 1996
wahrscheinlich in mitte, wo sonst eine vorsichtige orgie
feiern mit kilometerabstand zu den weingläsern, den hemden, zu den hemden
gar ist der weg zugefroren, schneller als man hingelächelt werden kann,
eist man fest.
doch ³wenigstens beim sex vom biogeplapper abkommenã, sagt gerade eine,
³ja, endlich wieder einmal sauberen sex, nicht immer das sperma im
kniegelenk, in den haaren, nicht immer überall kleben bleiben danach.ã
mißversteht sie ein anderer, und wieder eine meint: ³nicht schon wieder
hineingeschnupft werden in eine gemeinsame tieferseele und der schwanz
hängt dann nach.ã ja, dieser traurige bleistift, mit dem man sich zuwinkt
unter männern.
³eben, eben, wir sind doch keine christkinder!ã rufen alle zusammen,
während von rechts welche auftreten: ³klappe halten! jetzt passiert wasã, aha.
in den raum eine bittere schwüle hineinkopiert, wie man sie auch dreht,
herausfallen tut unten immer ein nachname, der heißt billinger und tritt
auch schon auf, der kerl mit den augen ganz weit vorne und den mund läßt er
auch nicht lange nachschleifen: ³achtung achtung!ã ruft er, ³geben sie acht
auf ihre nachbarn, vielleicht dehnen sie sich aus, geben sie acht auf ihre
handtaschen, sonst kommen sie ihnen dick. aber bitte meine damen, setzen
sie sich, sie sehen ja ganz durchnäßt aus.ã
und schon beginnt er sich aufzuführen als fliegender wechsel, der mann muß
eine wurst auf der nase haben, daß alle so lachen, zumindest aus fleisch
ist es in jedem falle, so wie das lachen allen davongeht, doch plötzlich
ist zwischen den zähnen das rosenmuster ausgebrochen, das ist die frau, wie
sie auftritt und von ihrem hobbyfleisch erzählt, wie sie es ausbreitet und
großzieht, wie sie jetzt zu singen beginnt/ mit ihrem kreisrunden po/ zieht
sie durch den saal, wer möchte da nicht seinen dicken zeh hineinstecken und
drinnenbleiben/ in diesem dauerdurcheinander an beheizten wangen/ kommt man
ja schnell auf du und du und dazu in die pfanne, denn wenn man nicht
achtgibt, geht das bis zum moderator, doch nur er alleine darf sie
abkapseln, während sie die lippen zurückspult, darf er alleine sie mit den
händen in diverse tagesthemen hineinschmieren, einölen/ ins gebirge seiner
vorhaut/ einspannen, während sie ihr haar zurückstreicht, sich in ordnung
bringt, den rock glättet, darf nur er sie mit dem vornamen anreden, bis sie
tulpen trägt in den armen und abgeht, nur er, und wehe, er sieht jemand
anderen dabei. - ³jetzt sind sie aber an der reihe!ã ruft er auch schon und
fischt herum im publikum, ³ja, ihr nebenanvogel ist gemeint, der apathische
kerl - ja, sie, sie mit den langen haaren, treten sie mal vor und sagen sie
uns was auswendiges, eine unterschrift vielleicht, ein danksagung, eine
absage für ein geburtstagsfest.ã - ³was, nein? sie können nicht?ã - ³ist
ihm nichts unterzujubeln an text? ist ja nicht zu glauben, da lehnt er ab,
die worte der souffleuse nachzustottern.ã - ³und die souffleuse, ist sie
etwa verliebt, daß sie so lispelt und nicht ordentlich ihrer arbeit
nachgeht?ã - ³seht sie euch nur an, die beiden: was für ein gespann!ã
³also weiter geht es dann hier drüben, bei der dame. singen sie, singen
sie! singen sie.ã ruft er, und gemeint bin ich, doch das eine äugelchen
abgewinkelt, das andere schüchtern irgendwo verblieben, bin ich schon nicht
mehr vorhanden - ³alles muß man selber machen!ã ruft er also und wird flugs
eine frau, das geht nicht so im zickzackkurs wie bei anderen, nein, husch
husch übers gebirge, huschhusch ins gebäck.
aber das mit mir muß erzählt sein. eigentlich bin ich ja nur hier wegen dem
kerl mit den langen haaren, doch - ³klappe halten!ã
denn da ist einer, der steht im pissen.
denn da sind kuhrufe von überall her, spielen sie alm und eigenbrödler.
die fun-hitze in den augen.
und irgendein biest ist zeitgleich mit uns.
eh schon hase, eh schon kanarienvogel, eh schon ein direkttier und dazu
noch blau sind wir, was noch, was noch?
ins wasser!
der allgemeine sturz ins schwimmbecken ist angesagt auf dieser party, und
alle tun es, mit ihren gewändern an springen sie und springen. ³das ist ja
ein richtiges waschhaus!ã ruft eine, die auch mal auftauchen möchte, und
hier ist sie!
ansonsten spazieren an würstchenbuden mittelstandsbetriebene schüler
vorbei, quasi leichte frottierhaltung dem leben gegenüber - junge männer
mit den schwänzen weit heraußen - vorzeigecock-vorzeigecock!- spazieren am
beckenrand entlang. pickup, rufe ich und will es tun.
doch ³ruhe jetzt!ã werde ich schon wieder unterbrochen, ja, es ist besser
man ist still, ja es ist besser, man wäscht sich die Hände, ja, es ist
wirklich besser, man wäscht sich die Hände, man wäscht sich aber sicher die
Hände, wenn man jetzt noch im Raum steht, man wäscht sich die Hände in
andere Hände hinein, man macht Platz auf der Haut.
ansonsten ist immer noch freischwimmen angesagt. am beckenrand hocken die
männer mit den schwänzen heraußen tun sie es aber langsamer.
machen vorzeigecock anhand von plakatwerbung, da und dort eine nasse stelle nimmt überhand und hungern tun wir alle nach ein wenig mehr.
deshalb badekappe mit vorne zwei löchern und hinten ein schwanz kommt
heraus. ³magazin knallevoll.ã sagt der fünfzehnjährige, der auch einmal zu
wort kommen muß, doch plötzlich will niemand mehr so genau wissen, was er
damit meint, da hängen alle bloß noch ab, und nur im lokal ums eck geht
einer auf die toilette und macht weiß gott was - kommen nicht nach die
anderen. ³andersrumã, sagen sie, ³ist der, seiner hat eine länge, aber
bestimmt andersrumã, und seufzen.
auch ich bin verärgert, what's going on? abgespart habe ich mir den
aufenthalt vom mund und nun kann ich machen was ich will, niemand reagiert,
soviel ist sicher. zumindest darf ich mich wieder setzen und dann richtung
fenster sehen, hinaus auf die fleckenreiche landschaft - ³stadtlandschaft!ã
werde ich von links und rechts korrigiert, ³hauptstadtlandschaft,
metropolendickicht, großstadtdschungel -ã - ³goldjunge!ã rufe ich nicht,
als der knabe mit innenlicht draußen vorüberfährt, draußen vorüberfährt
dieser prachtbursche, und ich kann nur ans fenster eilen, da stehen und
bücke mich und biege mich und sehe hinaus: ach, was möchte ³ch mich
hinbewegen zu ihm, möchte ich betreten den zebrastreifen zu seinen armen
(die wängelchen aneinandergedrückt würden wir aussehen wie balthasar und
walthasar), aber er verwehrt es mir, indem er einfach nur vorüberfährt,
zumindest aber bin ich bei meinem thema und bleibe es.
fange schon wieder an mit dem typen von zuerst, der stillgestellt im eck
jetzt ausbrütet seine gegenwart - ach, mein herz klappt mir in die hose,
dieselbige mit senf befleckt, da ich aus lauter unachtsamkeit die würstchen
umgekippt, meine unachtsamkeit habe ich quasi ins würstchen gekippt, und
das würstchen kotzte die wieder aus, und das war senf. alle sehen mich an:
³Nicht kleckern!ã sagt eine zu mir, und ein anderer beginnt mir schon an
den hosenbeinen herumzuschmieren, und wehren muß ich mich langsam. ³aaah!ã
schreit auch schon der hinter mir und hat sich wohl gestoßen, doch das gibt
mir den rest, ich will raus hier, rundherum aber die küchentür
schlägt zu, laufe los, doch alles dicht.
³schluß mit lustig!ã rufe ich, um sie abzulenken, ³nichts daã, werde ich
aber von ihnen unterbrochen, hinausgezerrt, und schon stößt man mich ins
becken. ³kennt jetzt jeder jeden, oder was ist los hier?ã höre ich gerade
noch.
und irgendeine mineralwasserflasche schreit wie ein kind.
jetzt ist es wirklich ruhig geworden im raum, und bald sind nur noch
wenige, die auf das trübe wasser im becken starren, dessen oberfläche sich
wieder geglättet hat, und wer den weg heraus noch nicht geschafft hat, ist
wohl ertrunken. ³praktisch die ganze luft schon ausgegraben, die man in
diesem raum so verbrauchen kannã, sagt noch jemand und gähnt, ja, langsam
wird es dünn.
und irgendeine mineralwasserflasche schreit wie ein kind.
was auch immer beheizt wird, es ist nicht mein gesicht. doch meine augen
immer noch rund, als ob es pflicht wäre. ³schalt's ab!ã ruft jemand,
³schalte es endlich ab!ã und gemeint ist die musik, die man erst jetzt in
einem hintergrund dahindieseln hört, und schon wieder schluß.
nur ein wasserhahn läßt nicht locker.
und die augen zeigen haut
doch a few steps from here das kleinste kind mit austapezierten wangen geht
in die knie und weint ein bißchen über das alles. ³das ganze ent-opern!ã
sollte man ihm zurufen, doch niemand tut es, und so vergißt es seinen text,
steht bloß noch alleine da im raum und bohrt letztendlich in der nase. in
die peinliche stille hinein muß es schlagartig an die worte des
bundeskanzlers denken. nicht fisch, nicht fleisch, sagt es dann.
auch die andern hat alle wieder der bierernst erreicht, man hält sich nicht
mehr auf mit durchschnittsflüssigkeiten, in bodennähe bleiben, heißt jetzt
die devise, niemand will mehr von seinem schwanz erschlagen werden, der
pipelte höchstens noch ein bißchen vor sich hin - sprich katerstimmung: da
kriegt der körper jetzt nur mehr eine richtung hin, ganz nach unten, ab in
die gewohnheit. ³aber das ist der liftã, informiert man mich, (tatsächlich,
man ist also doch stärker auf verdoppelung eingestellt, als man zugibt, und
so tauche auch ich wieder auf, aber das ist das happy end) - ³nein, das ist
der liftã, korrigiert man mich ein zweites mal, also gut, hängen wir die
ganze angelegenheit an technischen geräten auf, ja, sieht man sich etwa
nicht schon wieder schleichen ums faxgerät, sieht man sich nicht wieder am
asphalt, oder findet sich augenblicklich wieder in einer halle, und stellt
sich flugs in die schlange vor der kassa, ³und so etwas nennt sich bankã,
sage ich zur frau hinter mir, und dann hat sie sich vorgedrängt, sie hat
sich einfach vorgedrängt, zum Kotzen ist das, wenn sich jemand einfach vor
die Nase pflanzt, und man dann nur von hinten sehen kann, wie sie sich
vorgedrängt hat, so tut, als ob das in Ordnung wäre.
kathrin röggla, geb. 1971 in salzburg, lebt derzeit in berlin. viel
auslandsaufenthalt, vermischte studien, ein bißchen fernsehen und diverse
teilnahmen.
1995 erschien ³niemand lacht rückwärtsã bei residenz und erscheint noch.
³abrauschenã ist in Arbeit.
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