2.März 1997





Frantz Fanon - Black Skin White Mask

Martin Conrads


[text als audiofile]


O-Ton (Film)1: Colin Salmon: " My final prayer: Oh my body! Make of me always a man who questions!"

Er war Psychiater, Theoretiker, Revolutionär und Diplomat. In seinen beiden Hauptwerken fand Frantz Fanon, der schwarze Intellektuelle aus Martinique, zu einer Sprache, die den kolonialisierten Völkern ein revolutionäres Bewußtsein geben sollte.

In "Black Skin, White Masks" - "Schwarze Haut, Weiße Masken" - von 1952, und in "Die Verdammten dieser Erde" von 1961 behandelte Fanon die Frage, wie sich das -vor allem schwarze- Subjekt des Kolonialisierten in Abhängigkeit zum Kolonialherrn konstituiert. Das daraus resultierende Wechselverhältnis beschrieb Fanon anhand spezifischer historisch-psychologischer Schemata. In diesen sah er sowohl Ursache wie Effekt von Rassismus.

Isaac Juliens neuer Film über Fanon, "Black Skin White Mask", am letzten Wochenende bei der Berlinale vorgestellt, ist unter anderem zusammengesetzt aus Dokumentarmaterial, Interviews mit Verwandten Fanons und aus Statements von Theoretikern wie Homi Bhabha, Stuart Hall oder Françoise Verges. Nicht zuletzt ein prägnant spielender Colin Salmon als Frantz Fanon verhindert, daß der in statischen Bildern gehaltene Film mitsamt kitschiger Filmmusik ins Pathetische entgleitet.

Wieso aber wurde gerade jetzt einen Film über Fanon gedreht, über 35 Jahre nach seinem Tod?

Der schwarze Londoner Regisseur Julien greift hierbei auf die aktuelle Postkolonialismusdebatte zurück. Das Denken Fanons wird in Büchern wie in Edward W. Saids "Kultur und Imperialismus", in Homi Bhabhas "The Location of Culture" oder in "Unthinking Eurocentrism" von Ella Shohat und Robert Stam wiederaufgenommen, was Fanons Namen zu neuer Popularität verhilft.

Fanon selbst fand in "Black Skin White Masks" eine Erkenntnisebene für das koloniale Subjekt, indem er seine eigene Körpererfahrung analysiert. Diese mache den kolonialisierten Schwarzen zu einem de-personalisierten Subjekt, geprägt durch den "weißen" Blick des Kolonialherren. Gleichzeitig, so denkt Fanon Hegel weiter, entsteht in der Beziehung von Kolonialherren und Kolonialisiertem ein Herr-Knecht-Verhältnis. Hier wird nun auch der "Weiße" vom "Schwarzen" abhängig, weil er dessen "Unterworfenheit" begehrt.

Isaac Julien findet in seinem Film "Black Skin White Mask" eine Referenzebene zu Fanons Denken durch Kommentare von Theoretikern wie Stuart Hall:

O-Ton (Film) 2: Stuart Hall: "The struggle between the master and the slave is a struggle for power, partly for who possesses the products of the slave's labour. This is the bit that interests Fanon, because he sees of course, that the colonizer-colonized-relationship is a struggle to the death. And indeed in his life he perceives it to the death. At the same time he sees it is also a struggle by the slave to win recognition and also the dependency of the master on the recognition from the slave."

Jean-Paul Sartre, der Fanon für seinen Kampf in Algerien in Schutz nahm, schreibt im Vorwort zu den "Verdammten dieser Erde:

"Wenn ... Fanon Europa sagt, es renne in sein Verderben, so ist er weit davon entfernt, einen Alarmruf auszustoßen: er stellt einfach eine Diagnose. Dieser Arzt sagt weder, daß es keine Rettung gebe -es sind ja schon Wunder passiert-, noch will er ihm Mittel zu seiner Heilung reichen. Er stellt lediglich fest, daß es in Agonie liegt. Und zwar von außen her, auf Grund von Symptomen, die er hat sammeln können. Was die Behandlung angeht: Nein, er hat andere Sorgen im Kopf, ob Europa krepiert oder überlebt, ist ihm egal. Aus diesem Grund ist sein Buch skandalös. Und wenn man dann halb belustigt, halb peinlich berührt stammelt: "Der gibt es uns aber!", dann entgeht einem der eigentliche Kern des Skandals; denn Fanon "gibt" uns überhaupt nichts; sein Werk -so brennend wichtig es für andere ist- bleibt uns gegenüber eiskalt." (Jean-Paul Sartre: Vorwort zu Frantz Fanons "Die Verdammten dieser Erde". Frankfurt am Main: Suhrkamp 1966, S.8 f.)

Mit dem Buch "Black Skin White Masks" wollte Fanon hervorheben, daß sich "der" Schwarze unter kolonialen Bedingungen mit einer imaginierten Maske konfrontiert sieht, die ihm einredet, selbst weiß sein zu wollen - Fanon denkt dies als Folge kolonialer Entfremdung. Fanons Stil war zumeist hart, sarkastisch, offen und bedingungslos. Die Angst eines Kindes, das Fanon in Paris auf der Straße sieht, und die Reaktion von dessen Mutter wird im Buch "Black Skin White Masks" zum Schlüsselmoment. Ein Ausschnitt:

"Seit einigen Jahren arbeiten die Labore an der Entwicklung eines Serums zur Entnegrifizierung; die Labore haben allen Ernstes ihre Reagenzgläser gespült, ihre Waagen justiert und Untersuchungen begonnen, die es den unglücklichen Negern ermöglichen sollen, weiß zu werden und damit nicht mehr die Last jenes körperlichen Fluches zu tragen. Hinter dem Körperschema hatte ich ein historisch-rassisches Schema geschaffen. Die Elemente, die ich verwendete, waren mir ... geliefert worden ... durch den Anderen, den Weißen, der mich aus tausend Details, Anekdoten, Erzählungen gesponnen hatte. Ich glaubte, ein psychologisches Ich konstruieren, den Raum ins Gleichgewicht bringen, Empfindungen lokalisieren zu müssen, und nun verlangte man von mir eine zusätzliche Leistung. ,Sieh mal, ein Neger!' Das war ein äußerer Ansporn, ein Nasenstüber, der mir unterwegs verpaßt wurde. ,Sieh mal, ein Neger!' Das stimmte. Ich amüsierte mich. ,Sieh mal, ein Neger!' Langsam zog sich der Kreis zusammen. Ich amüsierte mich unverhohlen. ,Mama, schau doch, der Neger da, ich habe Angst!' Angst! Angst! Man fing also an, sich vor mir zu fürchten: Ich wollte mich amüsieren, bis zum Ersticken, doch das war mir unmöglich geworden. (...) Wo mich verkriechen? ,Schau den Neger da! ...Mama, ein Neger!...' - ,Still! Er wird böse werden...Achten Sie nicht darauf, Monsieur, er weiß nicht, daß Sie genauso zivilisiert sind wie wir...' (Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken. Frankfurt am main: Syndikat 1980, 73 f.)

O-Ton (Film) 3: Stuart Hall:" Think of the West Indian intellectual, formed by much in relation to France with the French education, coming to Paris, expecting to be accepted, who comes sharply up against metropolitan racism. And this is not just in how people treat him and somebody's action, but in how people look at him. He sees himself being seen by a French child and his mother. And this look from the place of the Other completely destroys him, cause what it destroys is this false, what Fanon called de-personalised self. The colonial self which has been up on imitation of the coloniser over many years, it fractures."

Im Denken Fanons steht der Blick im Vordergrund: so sei die Entfremdung des Subjekts durch die Ökonomie des Blicks umittelbar mit dem Entstehen von Rassismus verbunden. Noch einmal Stuart Hall:

O-Ton (Film) 4: Stuart Hall: "Fanon makes us allied to the fact that racism is inscribed on the skin of the subject, something, which is literally visualized. Racism appears in the field of vision. But he sees something else, which is the sexialized nature of the look. Looking always involves desire. There is always a desire -not just to see, but to see, what you can't see, to see more than you can see, to see into, to see beyond, to see behind. The reaction in racism between black and white partly arises, when the white looker becomes aware that he is attracted to the black subject. The act of racism is a denial of that desire which is in the gaze itself."

O-Ton (Film) 5: Françoise Verges:"At the center of the book is the body of the black man, and it's a body which is humiliated, beaten, sweating. "Black Skin White Masks" is really a complex book. We can really trace that body thing that black men are alienated because of their desire for white women. But in fact, if you read closely, at the body of the text is the desire of the woman. So the white woman desires the black man, the homosexual white man desires the black man, and the woman of colour does not desire him, because she is alienated and she desires the with man."

Françoise Verges, die man zuletzt im Film hörte, weist auf einen blinden Fleck in den Büchern Fanons hin: "Schwarze" Maskulinität ist bei Fanon auf das Begehren nach einer weißen Frau ausgerichtet. Im Gegenzug begehrt die weiße Frau den schwarzen Mann; so wie die schwarze Frau den weißen Mann begehrt, weil sie entfremdet sei. Daß schwarze Männer auch schwarze Männer begehren können, ist bei Fanon nicht vorgesehen.- Ein Kritikpunkt an Fanons Theorie, den Isaac Julien in seinem Film aufgreift.

Fanons Schriften, vor allem "Black Skin White Masks", erscheinen von heute aus schematisch und starr; gleichzeitig ungeordnet und assoziativ. So liest sich seine hegelianische Lesart des Ödipuskomplexes, wo der Kolonialherr direkt mit dem "Vater" kurzgeschlossen wird, einige Jahrzehnte später und nach, sagen wir bell hooks, Darius James oder Snoop Doggy Dogg eher angeschlagen.

Befremdlich im Film ist, warum der arg kultig eingeschnittene Homi Bhabha als postkolonialer Flaneur herumstreift. Sein Statement zur Bedeutung Fanons macht dennoch irgendwie klar, warum dieser einen so präsenten Platz in der derzeitigen Diskussion einnimmt:

O-Ton (Film) 6: Homi Bhabha: " Turn to Fanon in this fin de siècle to understand something of the landscape of the present. He was a dreamer perhaps, but his dreams were born from that nightmare of history, where the Third World was neither simply reality nor ideology. No such crude opposition of history and consciousness can represent Fanon's insight into colonialism and the making of the modern world."

End.



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- 2.März 1997 -


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