4.Mai 1997





Oskar Sala

Ulrich Gutmair


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Oskar Sala ist 86, und damit nur unwesentlich älter als die Zukunft der elektronischen Musik. Die begann - in Deutschland - 1930 an der Rundfunkversuchsstelle der Berliner Musikhochschule. Dort bastelte der Ingenieur Friedrich Trautwein an einem Instrument, das zu einem Meilenstein in der Geschichte elektronischer Klangerzeugung werden sollte. Der Komponist Paul Hindemith erkannte sofort den revolutionären Charakter dieses frühen Synthesizers, der die Musik aus den Zwängen traditioneller Klänge und die Töne aus der vorgegebenen Struktur von Klaviaturen befreite. Sein Schüler Oskar Sala erinnert sich:

dr. trautwein hat den wunsch geäußert eine elektrische orgel zu bauen... ich mach ihnen was ganz einfaches, er hat eine schiene genommen, darüber einen draht gespannt... diese saite war die seele des ganzen. Hindemith als er das sah hat gleich gesagt: also herr doktor das gefüllt mir sehr gut. Und grade die saite ist das was ich mir gedacht habe, dass man nämlich die töne bilden, nicht gleich mit ner taste vorgesetzt sondern bilden kann.

Anstatt die Kompositionsklasse Hindemiths zu besuchen, arbeitete Sala jetzt an der Weiterentwicklung des Trautoniums mit und saß noch im selben Jahr zur Uraufführung der - von Hindemith eigens für das Trautonium geschriebenen - Triostücke Hindemiths neben seinem Professor an den Geräten. Die neue Elektromusik bewegte nicht nur Strawinsky und Schönberg, die schon bald in der Fasanenstraße vorbeischauten, um das neue Instrument in Augenschein zu nehmen. Auch die Industrie begann sich für das Trautonium zu interessieren. 1932 startete die Telefunken mit den Planungen zur Produktion eines Volkstrautoniums fürs Wohnzimmer. Noch im selben Jahr wurde das Instrument neben anderen elektronischen Klangerzeugern wie dem sowjetischen Theremin auf der Berliner Funkausstellung unter dem Slogan ÑElektrische Musik - Musik der Zukunftì der ÷ffentlichkeit vorgestellt. Mit der Machtübernahme der Nazis änderte die Industrie jedoch schnell und sensibel ihre Idee von Zukunft. Das Volkstrautonium mußte wie das ebenfalls bereits entwickelte Fernsehen der Militärtechnologie weichen.

telefunken hat kurse eingerichtet und das zusammenspiel probiert dann wie der grosse knall kam hat telefunken schluss gemacht jetzt wird jede mark gebraucht, damit was anderes entsteht.

Musik:
Oskar Sala: Elektronische Impressionen, Nr. 7 (Telefunken 1979)

Trotzdem arbeitete Sala stetig weiter an der Verbesserung des Instruments und entwickelte schließlich das zweimanualige Mixturtrautonium, das außerdem über Pedale verfügt, mit deren Hilfe von Oktave zu Oktave gesprungen werden kann. Seit den frühen Kompositionen Hindemiths wurden aber nur noch selten Werke eigens für das Instrument geschrieben. Es gab und gibt weder eine ausreichende Zahl spielbarer Instrumente noch Interpreten, die das Trautonium beherrschen. Seine Fähigkeit zur Erzeugung völlig neuer Klänge prädestinierte das Trautonium aber für den Einsatz in der Filmindustrie. Seit den vierziger Jahren hat Oskar Sala, der der einzige Virtuose des Instruments geblieben ist, Soundtracks für über 300 Filme komponiert, darunter Hitchcocks Vögel. Dabei ging es Sala aber nie um die Erzeugung naturgetreuer Klänge.

ich habe immer versucht geräusche zu machen, die dem naturgeräusch entfliehen. möglichst weit weg, damit dann was neues rauskommt.

Musik:
Oskar Sala: Der Würger von Schloß Blackmore, Subharmonische Mixturen (Erdenklang 1997)

Auch wenn Salas Musikverständnis bis heute von den Traditionen abendländischer Hochkultur geprägt ist, kann er dennoch als Pionier in Sachen neuer elektronischer Klangerzeugung gelten. Für die Weiterentwicklung des Trautoniums forschte Sala früher selbst am Oszillator nach den Grundlagen und Verhaltensweisen von Klängen. Vor allem in der Arbeit an den Soundtracks - wie der eben gehörten Tonspur zum Krimi Der Würger von Schloss Blackmore - konnte Sala die erstaunliche Variationsbreite seines Instruments erkunden. Die immer wieder verblüffende Vielfalt von Klängen, die das Trautonium generieren kann, ist bereits in seiner Blaupause angelegt. Durch die Verknüpfung von Klanggeneratoren mit einer Benutzerschnittstelle, die auf einer Metallsaite beruht, bietet das Instrument alle Freiheiten der Klangmanipulation.

die manual technik ist ja eigentümlich, es sind - und das kann man zuerst einmal zur kenntnis nehmen - zumindest keine tasten, nicht wie beim klavier, synthesizer oder orgel. wir haben hier ein neuartiges manual, mit dem man, wie sich gezeigt hat, sehr virtuos spielen kann, weil da auch noch elektronische hilfen dazu kommen. und das ganze spielt sich ab auf einer saite. Wenn ich den finger auf diese saite setze, und ein ton entsteht, so ist das eine elektrische schwingung. und nun kann ich die ändern, ich ändere sie jetzt, indem ich mit dem finger rutsche, einfach auf der seite entlang gleite. So und wieder zurück. Da hört man schon dass es keine tasten sein können sondern saiten sind. Und auf diesen seiten kann man nun die töne auch einzeln (spielen). Zum beispiel eine einfache tonleiter - und dafür sind über der saite kleine hilfstasten. sie sehen das sind töne, die innerhalb der oktave liegen, aber es sind nur vier - es sind nicht etwa alle töne. (...) und was ich eben gemacht hab mit vibrato und glissando.

Anfang der Achtziger jahre wurde das Mixtur-Trautonium ein letztes Mal auf den neusten Stand der Technik gebracht. Mit Mikrochips ausgerüstet steht es heute - wieder einmal als das einzig existierende - in Salas Studio. Dabei wächst das Interesse an Salas Instrument stetig. Als Sala Ende März seine neueste CD zwischen DJ Bleed und den Techno-Minimalisten Porter Ricks in der berliner Volksbühne vorstellte, war der Saal mit enthusiastischen jungen Menschen gefüllt. Auf der Suche nach immer neuen Sounds ist die Technogeneration inzwischen wieder am Beginn der Zukunft angekommen. Schon Kraftwerk haben angeblich nur ungern Salakonzerte verpasst, dann aber vor dem schwierigen Prozess der Konstruktion eines Trautoniums kapituliert.

die situation ist total verfahren... am besten wenn ich weg bin.....wieder neu anfangen, wieder neu aufbauen.

Salas Toningenieur Peter Kuhlmann bemüht sich in diesem Sinne um die Weiterführung der Arbeit mit dem Trautonium. Unter seinem Künstlernamen Pete Namlook hat der Frankfurter Ambientmusiker inzwischen auch Stücke herausgebracht, die auf einem restaurierten einmanualigen Telefunken-Trautonium eingespielt wurden. Das Volkstrautonium wird allerdings wohl bis auf weiteres Technologie im Traumzustand bleiben. Der jüngste Boom eines midi-fähigen Theremins, das man per Internet als Bausatz für 200 Dollar bestellen kann, lassen allerdings auch fürs Trautonium hoffen. Subharmonische Harmonien, auf denen Trautonium-Musik basiert, leben ohnehin auf immer neuen Tonträgern weiter, wie hier auf Pete Namlooks und Tetsuo Time to the power of two CD, einer Aufnahme von 1996.

Musik:
Pete Namlook/ Tetsuo: Free and Flowers, Time, CD (Fax +49-69/450464, 1996)

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- 4. Mai 1997 -


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