4.Mai 1997





Jessica Stockholder

Martin Conrads


[text als audiofile]


Jessica Stockholders Arbeiten zeichnen sich durch eine fein sondierte Unordnung aus, ob zersägte Sitzmöbel, Gartenschläuche, Stoffknäuel, Folien, Partylichterketten oder kulissenartige Holzwände - Stockholders Assemblagen sind das anorganische Durcheinander einer Welt bunt bearbeiteter Ready-Mades.

Die 1959 in Seattle geborene und in New York lebende Künstlerin studierte Malerie und Bildhauerei- eine Doppelausbildung, die sich immer dann erkennen läßt, wenn sich die von ihr angewandten Stile und Methoden ineinander verschränken. Seien es grün übermalte Teppiche oder violett belassene Wäschekörbe - in großformatige Installationen eingepaßt, lassen sich die einzelnen Objekte an viele kunstgeschichtliche Referenzen andocken: Konzeptkunst, Minimal Art, Pop Art, Arte Povera.

Der Betrachter sucht in diesem Nebenher nach Klassifikationen, nach Ordnungen und Strukturen - ein Unterfangen, das mißlingen muß, denn was Stockholder den Gegenständen antut, ist keine Umdefinition , sondern, so sagt sie, eine Mißachtung der Objekte. Schwebt sie also über ihren Dingen?

Stockholder
Obviously I¹m not an alien. I think it has to do with the different interest in things. I¹m interested in things immediately, in there specificness, in exactly how much they weigh, what they look like, how it feels, what their quality of light is. I¹m not interested in what a couch means. I¹m interested in this couch, right now, the particular color that it is and what I did to it. It¹s more about the kind of immediate responsiveness, and there are many ways to see things, how people see a couch, it¹s quite varied, as many people there is there a couches

Architektonische Elemente bestimmen die Installationen Stockholders, eine dekonstruktivistische Formsprache durchzieht die Räume, die sie mit ihren Arbeiten besiedelt.
Der Geist von Gordon Matta-Clarks Heimwerkerakkrobatik, von Robert Rauschenbergs Combine Paintings und Claes Oldenbourgs hochgepitchten Modellbausätzen weht durch ihre Ausstellungen und legt sich bedeutungsleer auf die vielgestaltigen Raumsituationen.

Wand und Boden: Stockholder spricht vom Überschreiten von Grenzen: Grenzen der Erfahrung, aber auch räumlicher Grenzen: die Wände bezieht sie zumeist spielerisch mit ein, übertüncht sie, bespannt sie mit Texturen, beklebt sie mit Folien und besetzt ihre eigentliche Funktion.

Trotz aller formalen Offenheit stellen ihre Arbeiten keine Kritik an gesellschaftlichem Nutzen oder ökonomischem Gebrauch der Warenwelt dar. Es geht ihr lediglich darum, Form und Farbe zu genießen, betont Stockholder, von allzu theoretischen Auslegungen ihrer Arbeit distanziert sie sich vehement. Übrig bleibt eine Ästhetik, die sich auf dem Weg zum subjektivistischen Schönheitsbegriff an der eigenen Theatralik festredet; Stockholders Installationen erinnern an verlassene Filmsets: eine Ansammlung von Gerätschaften und Gedanken, aus der sich ein nur zufälliger Text konstruieren, Geschichte nicht mehr linear aufreihen läßt:

In my work I¹m very interested in a fiction, an evocative story, but that¹s the wrong word, for it¹s not a narrative, a story in a conventional sense, but it¹s more an emotional effervescence, it¹s really in contrast to the material, something that comes as a result of everything I do and put together. There¹s another thing that¹s made, that¹s sort of materialist - in the world, in the air, coulur especially does that, kind of jumps into the air. That thing for me, the closest way I can think how to decribe it is as fiction: It¹s an invention, but nevertheless somethingthat in my work I experience as immediate and concrete, just like the material is.

Ordnung und Zufall, Eigensinn und Strukurzerfall - in Stockholders dreidimensionalem Formalismus entfaltet sich eine Welt, die trotzdem nicht von der Person der Künstlerin abstrahieren kann; denn so abstrakt und anti-narrativ ihr Werk ist, so wichtig ist ihr Erfahrung und die Geste des Gemacht-Habens.
Ihre Vorstellungen bezieht sie aus vielen Quellen, und wenn sie etwa John Cage als Inspiration ins Spiel bringt, entpuppen sich ihre Ready-Mades mit Make-Up-Appeal plötzlich als konzeptionelle Apfelmännchen:

I don¹t know his music that well, I¹ve read a lot of things he¹s written. Things I¹ve read he said resonate to me, I know I was taught certain thinking that comes from him. It has to do with my taking advantage of chance and ideas around control. Allan Kaprow was also somebody who has a lot of work around control, or the lack of control we have. My work on the one hand is very controlled, and on the other has hazard. I¹m interested in how these things meet. I just really enjoy the thinking of John Cage around this issue, and Allan Kaprow to read. (...) I think it¹s really interesting that music is abstract, and nobody runs around asking what¹s the subject of music, and maybe it¹s meaningless because it¹s abstract and formal. Music is full of emotion and nobody stops to question it. But in visual art, if something is abstract, there is this large debate about wether it¹s meaningless and empty and formalism is dead. I¹m not sure why the difference. For me visual form is like music, it¹s full of meaning and emotion and significance. And if it isn¹t, it¹s boring.




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- 4. Mai 1997 -


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