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6.Juli 1997





TB-303 The Rebirth

Stefan E. Schreck


[text als audiofile]


Am Anfang war der Moog, das Urmodell eines Synthesizers, entwickelt von seinem Vater Robert Arthur Moog. Bereits Mitte der sechziger Jahre bastelte er an seinem eigens dafür gegründetem Institut an der elektronischen Erzeugung vol Klängen. Zwar gab es frühzeitig etliche Geräte, etwa das sowjetische Teremin oder Oskar Salas Trautonium, aber für den normalen Gebrauch im Studio waren sie viel zu teuer. Auch die Düsseldorfer Elektronik Pioniere Kraftwerk, schraubten Endeder 60er Jahre noch ihre eigenen Synthesizer zusammen, bevor solche Maschinen käuflich erwerblich wurden. In einem Interview für die Compilation 'History of House', erinnert sich Ralf Hütter von Kraftwerk an diese Zeit:

Ralf Hütter:
'Ich weiß noch, als ich den ersten Synthesizer gekauft habe: Der war in etwa so teuer wie ein Volkswagen. Dazwischen mußte man sich schon entscheiden. Und der Vergleich zwischen einem Auto und einem Synthesizer ist gut, weil beide Dinge Freiheit in der Bewegung garantieren.'

Die Freiheit war allerdings bei den ersten monophonen Synthesizern um 1969 relativ bescheiden. Bis die ersten polyphonen Geräte auf den Markt kamen, dauerte es noch einige Jahre. Rhythmusmaschinen gab es zwar schon in den Siebzigern, diese aber beherrschten nur drei Rhythmen: Samba, Bossa Nova und Swing. Synthetische Percussions waren sowieso verpönt, sie wollten einfach nicht so klingen wie ihre Vorbilder. Aus genau diesem Grund war bereits der erste ambitionierte Versuch der Musikinstrumentenfirma Roland mit der 808er Drum Maschine gefloppt. Für den 'einfachen' Musiker waren die analogen Geräte zu dieser Zeit viel zu teuer. Die ersten elektronischen Instrumente kamen noch aus den USA; bis japanische Firmen Anfang der 80er Jahre den Markt eroberten. Deren Produkte waren besser und vor allem billiger. Den ersten digitalen Syntheziser gab es dann 1984: Yamahas DX7.Von nun an galt analoges als veraltet und wurde erschwinglicher. Projekte wie Kraftwerk formten aus beiden Umständen einen retropreiswerten Gerätecharme:

Ralf Hütter:
'In der Anleitung der frühen Synthesizer stand auf drei Schreibmaschinenseiten beschrieben: das ist der Oscillator, das ist der Filter - und das war's. Dann ging man eben nach Hause, spielte rum und drehte an den Knöpfen.'

Der erste analoge und programmierbare Synthesizer war Rolands TB-303. Als er 1981 auf den Markt kam, floppte die Silberbox auf der ganzen Linie. 1 Jahre später verschwand sie wieder. Nicht einmal 20.000 Stück waren damals produziert worden. Wirklich entdeckt wurde die 303 erst, als die digitalen Synthesizer ein 'Mehr' an Möglichkeiten boten und das Interface analoger Maschinen verblassen ließ. Die Preise sanken drastisch. War der Originalpreis ehemals bei $395 US Dollar, fand man die 303 auf einmal für 30 Dollar in Second-Hand Läden. Die Verfügbarkeit von Technologie ändert das Verhalten der Produktivität. Nicht Alleinunterhalter in ihren Hobbykellern kauften die 303, sondern Künstler auf der Suche nach billigen Möglichkeiten, um Klänge zu erzeugen. Mit der 303 muß man spielen, bis man das Gefühl hat alle Parameter ausgereizt zu haben: 'just turning the knobs'. Das läßt die 303 die fiependen und zirpenden Sounds erzeugen:

Beispiel 303 er Song

Womit die 303 allerdings zur Berühmtheit gelangte, war Chicago Acid House. 1985 drehte DJ Pierre die Rädchen an der 303, baute sie in seine HouseTracks ein, nahm sie auf und gab sie Ron Hardy, einem Freund, der in einem stadtbekannten Club auflegte. Nach einigen Wochen hörte man Acid überall. Ohne die Roland 303 hätte es diese Entwicklung wohl kaum gegeben. Und das, obwohl die Firma niemals die Absicht hatte, das Gerät für genau diesen Zweck und genau diese Ästhetik zu produzieren. Ironie der Geschichte: Seit 1983 wird die 303 nicht mehr hergestellt. Trotzdem: in Chicago wurde Musikgeschichte geschrieben.Von nun an ging man überall zu Warehouse Partüs und auch die kleinen Smiley Faces waren wieder da.
Was die "Fender" Gitarre für den Rock n' Roll war, ist die 303 für House und Techno geworden. Die TB-303 ist das Instrument das Acid nach Haus' brachte. Nach den nun auch kommerziellen Erfolgen schnellte der Preis der analogen Synthis wieder in die Höhe. Wer heute eines der wenigen Stücke erwerben will, muß nicht selten bis zu dreitausend Mark investieren. Dabei ist die 303 eine schlichte silberne Plastikbox, so groß wie eine Pralinenschachtel und sie wiegt gerade mal ein Kilo. Das, was den ungewöhnlichen Klang erzeugt, ist die sogenannte 'Slide' Taste. Sie läßt den Sound von einem Ton in den nächsten übergleiten. Ursprünglich war das die Funktion, die dem Bassspiel ähneln sollte. Hier ein Beispiel:

Slide Beispiele

Die 303 war als kleine Schwester der BeatBox 808 nur mühsam zu programmieren, nicht sehr anwenderfreundlich und klang einfach überhaupt nicht wie ein Bass sonst so klingt. Eine Liveaufnahme aus dem Berliner Elektro von 1995:

Elektro 1995

Mit dem Erfolg der Musik und dem daraus resultierendem Preisanstieg entwickelten verschiedene Firmen Klone der Silberbox als Hardware- und Softwarelösungen. Keine erreichte jedoch den original 303er Sound. Da House im Gegensatz zu Techno auch heute noch von analogen Klängen dominiert wird, war die Nachfrage nach den Imitaten gesichert. Alle versuchten mit mehr oder weniger großem Erfolg das Original nachzuahmen. Auch Roland selbst baute einen Nachfolger, die MC 303, welche aber auch nicht wie das Original klingt. Dies nicht zuletzt,da das Geheimnis des Sounds in der Filterstruktur liegt, und die ist ganz ähnlichen aufgebaut wie beim monophonen und ebenfalls analogen Moog.

Beispiel Moog

Es gibt Versuche, Roland dazu zu bewegen, die alten 303er und 808er wieder zu produzieren. Im Internet kursiert einePetitionsliste. Roland allerdings argumentiert, daß es wirtschaftlich nicht erfolgversprechend sei, läßt seit 1983 die Finger von den Rädchen und wird es wohl auch weiterhin tun. Denn nach allen mißglückten Versuchen die 303er zu imitieren, ist die schwedische Softwarefirma Propellerheads nun auf der Frankfurter Musikmesse im Frühjahr mit einem Programm angetreten, das die perfekte Lösung verspricht: Der programmatische Name 'Rebirth 1.0'

Track von Rebirth 1.0 Analog Ass

Rebirth ist in der Tat die perfekte Kopie des Originals, inklusive vertrauter Benutzeroberfläche. Die Klänge sind nicht gesampelt, sondern werden nach den originalen Schaltungen der Hardware von der Software generiert. Alte analoge Klänge digital verschaltet. Auf einem von Ebenholzimitat eingerahmten Rack befinden sich zwei 303er und eine 808er, ausgestattet mit original designten Knöpfen, Reglern und allen bekannten Komponenten, so dem Oscillator, den Filtern und dem Slide. Wie das Original verleitet auch Rebirth 'to turn the knobs' - nur diesmal mit der Maus:

Track von Rebirth 1.0 Fighting Song

Als Propellerhead die alpha Version Ende letzen Jahres im Internet freigab, wurden innerhalb von acht Wochen 2 Millionen Downloads registriert. Zwar hat Acid House seine Comebacks schon hinter sich, aber auch andere Musiker arbeiten mit den ungewönlichen Sounds der 303: Daft Punk, The Aphex Twin, Massive Attack, The Orb, The Prodigy oder Plastikman. Die Software 'Rebirth' kann vielleicht halten, was der Name schon verspricht: eine neue Generation 303er- Klänge.

Musik: Plastikman "konzeption"- Platte "musik"
Label: mute records unlimited -1994

Abmod auf Musik:
Ein '94er Track von Plastikman. Die Emulationssoftware von Propellerheads für die Bassline 303 gibt es als Demo für Pentium PC oder PowerMAC. Außer einer Soundkarte bedarf es keiner weiteren Hardwarekomponenten. Die zeitbegrenzte Demoversion gibt es im Internet unter:

www.propellerheads.se


Und wer schnell ist, bekommt die alte TB-303 - jetzt auch in der Hardwarevariante - wieder billiger.


Infos:
http://www-ia.hiof.no/~kjetilei/303acid/303acid.html
http://www.tb303.com/
http://www.teknet.ch/tb-303
http://www.kiss.uni-lj.si/~k4fe0077/synths/roland_tb-303.htm

Petitionsliste:
http://www.terracom.net/~djmaytag/303/

Software:
http://www.propellerheads.se


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