7.September 1997





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Stefan E. Schreck


[text als audiofile]


Theremin Originalsound New York 1926 gespielt von Leon Theremin

Sein Name ist den wenigsten bekannt, obwohl sein säuselnder Klang fast allen vertraut ist: Das Theremin, Urgewächs der elektronischen Klangerzeugung. 1923 hatte sein Erfinder der Russe Lev Sergeivitch Termen oder später nur noch Leon Theremin genannt, sein Ätherophon im Berliner Hotel Esplanade der Öffentlichkeit vorgestellt, und die Welt war begeistert. Danach ging er mit seiner Erfindung nach New York und baute dort ein Tonstudio auf. Doch schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war Leon Theremin urplötzlich verschwunden. Der KGB soll ihn nach Sibirien verschleppt haben, wegen Spionageverdachts. Erst Ende der 80 er Jahre tauchte er wieder auf, nachdem man schon glauben mußte er sei. 1993 im Alter von 97 Jahren verstorben, erlebte er die jüngste Renaissance seines Instrument allerdings nicht mehr. Bands wie Portishead debütierten auf ihrer LP "Dummy" mit dem Theremin im Gepäck und auch die britische Gruppe Pram und die deutschen Kreidler arbeiten mit dem auf Radiowellen basierenden Gerät.

Sound Theremin aus der Galerie Arndt&Partner; gespielt von Max Mohr - Berlin im August 1997.

Auch Hollywood nutzte das Theremin in seinen Soundtracks. Etwa 1933 bei dem Film King Kong oder später in den vielen Grusel- und Thrillerfilmen der 50 er Jahre: Hitchcocks "Spellbound" oder Billy Wilders "The lost weekend". Filme wie "Ed wood" oder "Mars Attacks" sind zwei aktuellere Beispiele. Die besondere Eigenart und zugleich das Mysterium des Theremin besteht darin, daß man es beim Spielen nicht berührt. Die Hände werden im elektrischen Feld der beiden Antennen bewegt. Die linke steuert die Lautstärke, während die rechte die Tonhöhe moduliert. Nähert man sich dem elektrischen Feld, fängt die Maschine zu Summen und zu Klagen an. Robert Moog, der seit den 60er Jahren einen kompletten Bausatz des Theremin vertreibt und sich auch beim Bau seines eigenen Synthesizers davon inspirieren ließ, nannte das "to pull the music from the air":

Sound Theremin aus der Galerie Arndt&Partner; gespielt von Max Mohr - Berlin im August 1997.

Dieses Musikbeispiel eines Theremin entstammt der aktuellen Ausstellung Max Mohrs in der Galerie Arndt&Partner;. Der Künstler integrierte einen Moog-Bausatz des Theremin in eine seiner Skulpturen und verbindet so das Begehren, das seine Objekte erzeugen, mit dem berührungslosen Spiel auf dem Theremin. Die Synthetik der Skulptur und der Klang des Theremin - einer hohen Singstimme ähnlich - läßt zusammenwachsen, was eigentlich nicht zusammengehört:

Max Mohr:
"Also ich finde meine Objekte haben auch oft etwas wesenhaftes. Sie sind sowohl Hilfsmittel, haben dieses orthopädische Prothesengefühl und gleichzeitig sind sie aber auch eigenständige Wesen, die in irgendeiner Form auch lebendig sind - und wenn es nur in meiner Phantasie ist. Was auch schön ist, wenn man das Objekt so einstellt, daß sobald man sich nähert es anfängt zu brummen. Das Theremin löst das Gefühl von diesem nörgelnden: Was willst du denn? aus. Das heißt es reagiert, als wäre es lebendig und das finde ich schon ganz witzig."

Der Frankfurter Städel-Schüler, mit bürgerlichem Namen Mathias Mohr, arbeitet in seinen Skulpturen mit Sehnsüchten, Obsessionen und Ängsten. Häufig verwendete Materialien entstammen der Ortophädie. Rosa und hellblaues Prothesenmaterial, deren noppige Oberfläche zum haptischen Vergnügen verleitet. Es entsteht dieser Zwiespalt, anfassen zu wollen, aber gleichzeitig auch ein Ekelgefühl bei dem Gedanken, es dann wirklich tun zu sollen.

Max Mohr:
"Ich hab dann angefangen mit Stoffen zu arbeiten und bin dann nach und nach über mehr und mehr solche Materialien gestolpert, die für mich fast schon so drogenartig funktionierten, daß ich davon high wurde, wenn ich ein neues Material entdeckte.
Ich habe auch viel mit Reizwäschestoffen gearbeitet und auch oft mit so einem Ekelgefühl gearbeitet. Es hat mich häufig selbst Überwindung gekostet, dieses Zeug mit nach Hause zu schleppen, weil das von irgendwelchen absurden Wühltischen aus irgendwelchen Second-Hand-Läden stammte. Und da natürlich der Körpergeruch von irgendwelchen Fr...., wer weiß wer das auch immer anhatte, irgendwelche Speisereste oder was auch immer dran waren. Es geht mit immer darum, daß ein sehr hermetisches, dichtes Gefühl entsteht. Und auch eine gewisse Absurdität und eine Zeit lang auch eine gewisse Sexualität da mit reinkommt."

Das Wehklagen des Theremin und die Gestalt des Objekts passen dann doch auf das merkwürdigste zusammen. Eine Liaison, - aus einem 3D-Programm entsprungen, mit Leidenschaft und anderen menschlichen Zügen angefüllt, und in den realen Raum gestellt. Wer auf sie trifft, weiß nicht von welcher Welt sie stammen.

Max Mohr:
"Also ich habe auch eine Zeit lang mit 3D Programmen gearbeitet. Irgendwann dachte ich, das ist zwar alles ganz schön und hat auch eine gewisse Geilheit, aber was mich massiv gestört hat und ich dann damit aufgehört habe, war der Punkt, daß ich dachte es ist halt auch sehr uniform. Das heißt jeder der mit diesen Programmen arbeitet erzeugt das selbe Zeug. Da können zwar auch sehr interessante Sachen bei rauskommen und ich finde es nachwievor sehr spannend, aber für mich war es uninteressant, weil es sehr schwierig werden würde etwas Eigens da rein zu bringen oder ein dichteres Gefühl zu erzeugen. Und ich denke, daß ich stattdessen versucht habe diese Glattheit in meine Objekte einzufügen. Das heißt ich komme in einen Raum rein, der ganz bestimmte Gefühle auslöst. Ich kann da rein gehen und Teil dieses Raums werden und das ist bei 3D nicht möglich. Es entstehen außerdem reale Gefühle. Du gehst in so einen Raum, der mit einem ortophädischen Material ausgekleidet ist, da geht es halt ab. Es gibt Leute, die mit einem Ekel darauf reagieren, daß finde ich schon interessanter."

Mohrs Arbeiten leben aus der Erfahrung des Körperlichen. Bei der aktuellen Arbeit wird nun mit dem Hören auch der Sound zu einer wichtigen Dimension. Demnächst soll es auch eine Platte von ihm geben. Ob mit oder ohne Theremin ist noch unklar. Daß das Theremin als Erfindung der 20er gerade in den 90ern ein Revival erfährt, ist für Mohr nur logisch. Alles kommt wieder, und sei es noch so geschmacklos:

Max Mohr:
"Es gibt grundsätzlich das Phänomen, egal wie schlecht der Geschmack in der Vergangenheit war, das die Leute es wieder herauskramen und toll finden. In den 80er hätte kein Schwein gedacht, daß es jemals ein 70er Revival gibt. Ich kann mich an viele 70er Jahre Elemente erinnern, weil ich ja auch schon in den 70ern gelebt habe, die ziemlich grauenhaft waren, und wenn es nur die Farbkombination Orange, Braun, Grün war. Genau diese Geschmacklosigkeit wurde wieder rausgekramt. Also ich find momentan die 80er grauenhaft, obwohl ich selber in den 80ern dabei war und sie toll fand. Im Moment find ich es sooo schrecklich. Also wenn ich 80er Jahre Sachen sehe, denke ich: wie konnte ich nur, wie konnten wir nur? Und ich kann mir vorstellen in 10 Jahren oder vielleicht auch schon in 5 Jahren, daß dann plötzlich alle wieder auf die 80er abfahren - aber ich werde nicht dabei sein."

Man macht ja schließlich nicht alles mit. Aber wie gesagt, alles kommt irgendwann wieder und führt dann auch mal Technikvisionen wie das Theremin mit sich. Die 00er werden die 80er sein. Es sei denn, alles kommt ganz anders:

Max Mohr:
"Wir haben halt immer nur ein paar Stunden, wo wir wach sind, dann pennen wir ein. Ich denke auch, daß es auch immer verwirrender wird, es wird halt auch immer mehr. Es gibt mehr Möglichkeiten und auch eine größere Verwirrung dadurch. Anfang der 80er war es definitiv leichter sich zu orientieren, als jetzt. Was auch altersbedingt ist, also ich will damit nicht sagen, daß ich jetzt verwirrt bin. Ich denk' dann immer an die nächste Generation. Was macht die nächste Generation. Das ist ja auch immer interessant."



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- 7.September 1997 -


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