Das bißchen Kunst. Kleine Galerienumschau in Berlin 3/99.

Martin Conrads


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In den Gemälden des kanadischen, in London lebenden Malers Peter Doig herrschen nächtliche Szenen vor, bizarrwinterliche Anfahrten, seltsam verwunschene Seen, schemenhafte Gestalten . Doig hat zweifelsohne von den Verfremdungseffekten technischer Medien gelernt, aber auch von den Spannungsbögen möglichst leer wirkender Geschehnisse. Eines seiner bekanntestes Bilder ist von dem Film "Freitag der 13." inspiriert, und auch sonst scheint in Doigs Bilderwelt etwas nicht zu stimmen. Trotz, oder gerade wegen fehlender Hinweise verbreitet sich beim Betrachten eine Stimmung wie bei Shining oder Twin Peaks. In Doigs Ausstellung bei Contemporary Fine Arts sind neben Bildern, die schon im letzten Jahr in der Londoner Whitechapel Galerie zu sehen waren, auch eine Reihe kleinformatiger Landschaften ausgestellt, die einen ungewohnt psychedelischen Frühling erahnen lassen.

Peter Doig bei Contemporary Fine Arts, Sophienstr.21. Bis zum 20. März.

Matthew Antezzo befindet sich auf dem Weg vom bildabstrahierenden Konzeptualisten zum malereibejahenden Erfinder. An seiner Methode, Bilder aus Kunstzeitschriften und Katalogen reproduzierend abzuzeichnen, hat sich jedoch nichts geändert, so auch in der jetztigen Ausstellung bei Klosterfelde . Ein Porträt von Fassbinder, die Szene aus einem Pasolinifilm oder ein vermeintliches Selbstportät Antezzos, beruhend auf einem falschen Pressefotos des Künstlers. Daneben ein Triptychon, Joseph Kosuth auf der einen, Gerhard Richter auf der anderen Seite, Benjamin Buchloh als Schiedsgericht dazwischen. Richter hat dabei das Gesicht durch eine Tesafilmklebung enstellt, eine Porträtart, die Antezzo früher auch bei anderen Kolegen wie Douglas Gordon anwandte. Antezzo behält seinen konzeptuellen Ansatz des Kommentars über Malerei zwar bei, gerät dadurch jedoch gerade in eine neue Zwickmühle: Das von Antezzo nachgemalte Katalogfoto auf dem Frank Stella eines seiner Bilder malt, ist zwar Fußnote, aber auch schon Text zur Malerei. Die gemalte Stelle, an der Stella seinen Pinsel an der Leinwand ansetzt, verstärkt sich in vexierhafter Weise mit Antezzos Methode der künstlerischen Reproduktion.

Matthew Antezzo bei Klosterfelde, Linienstrasse 160, Bis zum 30 April.

Andreas Slominski ist unter den deutschen Gegenwartskünstlern der unbekannteste bestimmt nicht mehr. Der um einen Laternenpfahl gelegte Fahrradreifen, die im Frankfurter Portikus zersägten Windmühlenflügel, die in Kaffee eingelegte Mäusezunge haben ihre vielzüngigen Spuren hinterlassen. Die Deutsche Guggenheim zeigt nun diverse Installationen Slominskis, wie oft bei zum Thema der "Falle". Im Entrée die geklaute, sprich: mit dem entsprechenden Stück des Fahrradrahmens abgesägte Luftpumpe, später der transportsichere Hustensaftlöffel, des weiteren eine gigantomanische Vogelfalle, ein Video über einen extra eingepflanzten Baumstumpf und irgendwo, zwischen den Büchern des Museumsshops ein mit Wasser gefüllter Eimer. Was wie ein vergessenes Raumpflegeutensil wirkt, ist tatsächlich eine aufwendige Installation im doppelten Sinn: Statt den Eimer aufs Klo zu tragen und unter den Wasserhahn zu halten, ließ Slominski vor der Eröffnung eine Leitung zu dem Eimer legen, machte den Hahn auf und ließ anschließend die Leitung wieder abmontieren. Slominski als Prophet, die Deutsche Guggenheim als Berg.

Andreas Slominski im Deutsche Guggenheim, Unter den Linden 13-15, Bis zum 9.Mai.

Um Bergsteiger geht es auch in den Bildern Antje Majewskis bei neugerriemschneider. Versonnene, pausierende und schwitzende Freeclimber in semiphotographischer Aflösung sind hier seltsam wächsern auf die Leinwand aufgetragen. Die Hängung mit nur drei Bildern in den immenoch neu wirkenden Räumen bei neugerriemschnneider wirkt großzügig und erhabener als die Gipfel, die es zu besteigen galt. Das wichtigeste in der Abbildung scheint die Reflexion, sei es über die richtige Route oder über die wichtige Geste.

Antje Majewski, Die Bergsteiger, Galerie neugerriemscheider, linienstr. 155, Bis zum 10. April

Der Argentinische Künstler David Lamelas, derzeit Berliner DAAD Stipendiat, verblüffte schon in den 70er Jahren mit seltsam unauflösbaren Filmen. Da gab es den skurrilen "The Desert People" von 1975, einen Roadmovie über ein paar Menschen, die einen legendären Indianerstamm suchen und in der Schlußszene einfach mit dem Auto von der Straße abkommen und am Fuß einer Klippe zerschellen. da gab es "A Study of the Relationship between Inner and Outer Space" von 1969, einen halbdokumentarischen Kurzfilm über die Verbindung des Londoner Verkehrssystems und der ersten Mondlandung. Da gab es die Retrospektiven seiner Arbeit in München, Stuttgart und am Witte de With, die dem etwas ins Abseits geratenen Künstler wieder die verdiente Präsenz liehen. In der DAAD Galerie sind nun Filmstills zu Lamelas seit langem geplanten Filmprojekt zu sehen: einer Verfilmung von Bioy-Casares' "Morels Erfindung". Wie das Buch spielt auch die Ausstellung mit medialen Projektionen und Scheinflächen. Das Diakarussel ist zur Hälfte mit leeren Rahmen bestückt, die vollen zeigen Szenen, die aus Tarkowskis Stalker stammen könnten. Bekanntlich ist dort der Weg mit dem Ziel untrennbar verknüpft. Ob Morels Erfindung Lamelas Projektion bleibt, ist eine ähnliche Frage.

David Lamelas, The Invention of Morel, DAAD Galerie, Kurfürstenstr.58, Bis zum 21.März.

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