Netbooting!
Das neue MacOS X Server von Apple

Stefan Schreck


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"...and you will see why 1984 won't be like 1984."

Das war die Apple Werbung aus dem Jahre 1984. Kurz vor der Einführung des Macintosh, in Anlehnung an das Szenario aus dem gleichnamigen Roman von Georg Orwell. Apples Unternehmensgeschichte ist im Gegensatz zu der von Microsoft seitdem von ewigen Brüchen, Niederlagen und Fast-Bankrotten begleitet. Und auch sonst macht es wenig Sinn, die beiden Systemsoftwarehäuser zu vergleichen. In einem Punkt kommen sich die ewigen Konkurrenten jetzt aber doch ein Stück näher und driften auch gleich wieder auseinander: Apple veröffentlicht vor einigen Wochen sein erstes Betriebssystem der 10er Version: MacOS X Server.
Wir schreiben das Jahr 1999 und Apple will damit wieder eine kleine Revolution herbeiführen und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist das neue MacOS X Server die erste neu geschriebene Betriebsserversoftware von Apple überhaupt, zum zweiten werden Teile des Quelltextes davon unter dem Namen "Darwin" als OpenSource Software freigegeben und drittens, auch technisch verbirgt sich etwas neues dahinter: Netbooting.

O- Ton Steve Jobs

Steve Jobs der ewige Nicht-Geschäftsleiter des Unternehmens in einem QuickTime Werbeclip bei einer Präsentation auf der Bostoner Macintosh Messe Anfang des Jahres.
Das Netbooting, zu deutsch der Systemstart angeschlossener Computer über ein lokales Netz, erlaubt es bis zu 50 Festplattenlose Netzcomputer von einem einzigen Betriebssytem zu steuern, alle Programme und Files vom Server zu laden. Vor einigen Jahren geisterte eben diese Technologie schon einmal durch die Computerwelt und konnte sich nicht durchsetzen. Es gibt Vorteile, die Steve Jobs in seiner Werbeansprache für die Macintoshgemeinde so erklärt:

O-Ton Steve Jobs netbooting

In vielfacher Hinsicht erleichtert dieses Netbooting sicherlich das Leben für Netzadministratoren. Andererseits degradiert es den eigenen Computer zum Dummy im Netz, macht ihn abhängig von dem großen Server. Ähnlich sah dann auch die Präsentation von Apple auf der Cebit in Hannover dieses Jahr aus. In der Mitte der grosse Apple-Stand mit dem leistungsfähigen Server und drum herum viele kleine IMacs, fast sternförmig angeordnet, die Ihre Systemsoftware und alle Programme geliefert bekamen. So ähnlich wirkten dann auch die Firmen, die mit ihren Applesoftwarelösungen drum herum angesiedelt waren. Irgendwie hat diese geordnete Welt etwas beängstigendes. Noch dazu beschränkt auf wenige 100 Quadratmeter auf der ansonsten ausufernden Messe. Auch das ziemlich katholisch wie Umberto Eco vermutlich sagen würde. Auch sonst fehlt der Software noch das Zeug zu einem Vollständigen Webserver. Software für einen Email- oder PC Share Server ist noch nicht integriert und muss separat für viel Geld erworben werden.

Dabei, dass muss man Apple lassen, geht die Firma immer wieder mutige Wege mit ihren Produkten. Sei es die radikale Einführung neuer Schnittstellen unter kompletter Verbannung der Alten, so geschehen beim IMac und den Yosemite G3 PowerMacs mit den Seriellen Ports und SCSI zu Gunsten von USB und FireWire. Sei es das nun zum Hype geratene bunte Design in Regenbogenfarben des IMac. Jetzt gibt es sogar schon Bügeleisen von Rowenta im Bundle. Natürlich im IMac look and feel.

Doch das alles ist auch nur Teil einer Strategie. Dazu gehört sicherlich auch die Veröffentlichung des Quellcodes der Serversoftware, genannt OpenSource. Als eine der ersten grossen Firmen ermöglicht Apple damit die freie Verwendung von einigen Teilen des Programmiercodes für die eigenen Bedürfnisse, freilich unter Appleigenen Auflagen. An diesem Punkt machten sich die Pioniere aus Cupertino auch unbeliebt. Für den noch amtierenden Chef der OpenSource Bewegung Eric Raymond ist dies ein erstes Modell für andere Hersteller von Betriebssystemen, für andere war es schlichtweg Verrat an der Idee. Denn Apples Public Source License, kurz APSL, genügt zwar den Richtlinien von OpenSource, gleichzeitig etabliert es aber eigene Richtlinien, die zu Gunsten von Apple schärfere Kontrollen ermöglichen.
Die eigentliche Idee von OpenSource ist die Veröffentlichung der Programmiergrundlage einer Software, damit möglichst viele Leute Fehlerbereinigungen und Zusätze programmieren können. Bekannteste Beispiele sind Perl, Apache und kürzlich erst Netscape mit dem Communicator 5 kurz vor dem Verkauf an AOL.

Aber bei Apple begibt man sich damit noch lange nicht auf die gleiche Ebene der Distributionsfreiheit, wie das zum Beispiel bei Linux der Fall ist und kann sich dennoch das OpenSource Icon auf die Webseiten packen.
"Come in. It's open", verspricht das Werbebanner auf apple.com.
Für Bruce Perens, Mitbegründer von OpenSource, bewirkt dieser Schritt von Apple zwar, daß nun endgültig alle über diese Bewegungen Bescheid wissen, anderseits reduziert sich damit das Verständnis auf die reine Nutzbarkeit eines Produktes. Auf den Apple Webseiten heisst das dann:

"If we all work on this together, we can make a better product than any one company by themselves can."

Zynisch ist das irgendwie schon. Auch wenn Apple selbst natürlich die unter den OpenSource Bedingungen entstanden Verbesserungen nicht Vermarkten oder Verkaufen darf, arbeiten viele kleine Programmierer da draussen an Verbesserungen, die Apple zu einem späteren Zeitpunkt in ein Update in natürlich modifizierter Form einbauen könnte. Der User als Beta-Tester und Programmierer zugleich. Wie praktisch.
Dabei waren es die Entwickler selbst, die Apple noch im Dezember letzten Jahres zu eine OpenSource Entscheidung gedrängt haben:

"Make portions of the source code for the upcoming Mac OS X freely available", said the principal author of the proposal, developer Don Yacktman. Apple could reduce it's engineering costs and keep developers from leaving the Mac platform for the free Linux OS by giving developers ready access to the source code.

Dennoch hat man in Cupertino natürlich den Unterschied zwischen OpenSource und dem anderen Modell Freier Software, genannt "FreeSoftwareFoundation", verstanden. Und der Krieg um die Definition, wann eine Software OpenSource und wann FreeSoftware ist, tobt nicht erst seit der Appleankündigung.
Um Geld und Lizensierungen wird es einer Firma wie Apple immer gehen. Und das ist dann tatsächlich mehr OpenSource als FreeSoftware. In einer Erklärung der FreeSoftwareFoundation heisst es zu den Unterschieden zum OpenSource Modell:

"Talking about freedom, about ethical issues, about responsibilities as well as convenience, is asking people to think about things they might rather ignore; this can trigger discomfort. Years ago, free software developers noticed this discomfort reaction, and some started exploring an approach for avoiding it. They figured that by keeping quiet about ethics and freedom, and talking only about the immediate practical benefits of certain free software, they might be able to sell the software more effectively to certain users, especially business. The term "open source" is offered as a way of doing more of this-a way to be "more acceptable to business."

Und da Enden dann wahrscheinlich alle Träume einer FreeSoftwareFoundation. Oder anders herum: wenn Apple nur mit der Idee der Sourcecodeveröffentlichung kokettiert, könnten sich die Sympathien für die Vermeintliche Offenheit bei Apple ins Gegenteil umkehren. Denn Apple, so die Kritik gibt ja nur einen Teil des Sourcecodes frei.
Bleibt abzuwarten wer hier die Träumer und Visionäre sind in einer besseren Computerwelt: Apple, Bill Gates oder die vielen Programmierercommunities da draussen.

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